Besprechung im Hotel Cervosa in Serfaus zum Bau der U-Bahn | © Seilbahn Komperdell GmbH
Blogautorin Andrea Serfaus-Fiss-Ladis | © christianwaldegger.com
Andrea

U-Bahn Serfaus - Ein Rückblick - Teil I

01.08.2019 · Baublog Bergbahnen, Ganzjährig
Der Bau der 1.280 Meter langen U-Bahn in Serfaus war bahnbrechend, aufregend und für alle damaligen Entscheidungsträger, und vor allem die Serfauser Bevölkerung, Neuland. Die Serfauser wussten nicht so recht, was auf sie zukommt. In dem Tiroler Bergdorf prallte der Spirit einer verlockenden modernen Welt auf das traditionelle Leben der 80er Jahre. Als das Transportmittel unter Tage dann aber zum ersten Mal unterhalb der Dorfbahnstraße schwebte, wurden wohl selbst die Herzen der vorerst skeptischen Serfauser mit Stolz erfüllt. Schließlich hatte das Dorf dadurch ein Alleinstellungsmerkmal erlangt. Aus Sorgen wurde Freude.

Die Serfauser Luftkissenbahn

Fährst du noch oder schwebst du schon?

Dieser Blogartikel soll euch die spannenden Monate des U-Bahn-Baus vor über 30 Jahren näherbringen. Bei meiner Recherche bin ich dabei auf allerlei skurrile Details von Dorfbewohnern und Arbeitern gestoßen, die mich zum Schmunzeln gebracht haben. Der Artikel verspricht ein interessantes und vor allem heiteres Lesevergnügen. Viel Spaß!

Serfaus lässt aufatmen

Ruhig und erholsam sollte Serfaus werden und so wurde bereits 1973 das sogenannte „Verkehrsberuhigungskonzept“ eingeführt. Vorbilder fanden sich zu jener Zeit bereits in der Schweiz. Der Weitblick der damals verantwortlichen Entscheidungsträger ist aus heutiger Sicht nach wie vor bemerkenswert. Nicht Autos, sondern Menschen sollten das Dorfbild prägen. Am Ortseingang wurden ein Schranken und ein großer Parkplatz errichtet. Gäste wurden über zehn Jahre mit insgesamt acht Autobussen (Marke Magirus) kostenlos zur Talstation befördert. Zustiegsstellen gab es innerorts.
Bevor diese Entscheidung jedoch getroffen wurde, fand eine Gästebefragung statt. Sollte das Dorf komplett autofrei oder verkehrsberuhigt werden? 70% der Befragten gaben an, dass die Möglichkeit, bei An- und Abreise ins Dorf fahren zu dürfen, nach wie vor bestehen sollte.

Geparkt wurde also direkt bei den Unterkünften oder auf dem Parkplatz am Ortseingang. Durch die zunehmende Gästezahl wurde der Busverkehr im Ort jedoch immer mehr zur Belastung. Die Unfallgefahr, Lärmbelästigung und Umweltbelastung nahmen zu. Ein Serfauser Zeitzeuge erinnert sich, dass die tiefen Fahrrillen der Schneefahrbahn immer häufiger zu brenzligen Situationen führten. Zudem fanden Gäste, die im Dorf zusteigen wollten, im überfüllten Bus zwischen Parkplatz und Talstation oftmals keinen Platz mehr.

Durch die Nachteile, die der Busverkehr mit sich brachte, verblasste das einst positive Image vom verkehrsberuhigten Dorf und es wurde nach alternativen Transportmitteln gesucht.


Tiroler auf Inspirationssuche

unterirdische Förderbänder

Folgende Forderungen wurden an das neue innerörtliche Transportmittel gestellt: 1. Es sollte geräuschlos sein und 2. das Dorfbild sollte unverändert bleiben. Mehrere Exkursionen folgten.

Zu Beginn dachte niemand an den Bau einer U-Bahn, sondern es wurden unterirdische Förderbänder – ähnlich jenen auf internationalen Flughäfen – in einem Wellblechtunnel in Erwägung gezogen. Der frühere Betriebsleiter Alfred Tschuggmall schlug der Gemeinde vor, zur VOEST nach Linz zu fahren. Lange Zeit arbeitete Alfred für diese Firma. Dort wurde den Anwesenden ein maßstabgetreues Tunnelmodell mit einem Förderband aus Holz präsentiert.

Da die damalige Technik jedoch noch nicht so weit war, hätten die Förderbänder (acht wären notwendig gewesen) nur eine Maximallänge von 150 m aufgewiesen. Nach jedem Abschnitt hätten die Gäste dann zu Fuß zum nächsten Förderband gehen müssen. Schließlich ist der Straßenverlauf auch nicht gerade. Nicht ganz so bequem wie die heutige Verkehrslösung. Oder was meint ihr? Zudem stellte eine mögliche Staugefahr ein Problem dar. Was, wenn Gäste einfach im Tunnel stehen bleiben?


Vom Bergdorf in die Großstadt

Mit Skischuhen auf dem Flughafen
 

Anschließend flogen die damaligen Entscheidungsträger (im Sommer!) nach Frankfurt, um sich am Flughafen von der Tauglichkeit der Förderbänder im Winter zu überzeugen. Weit und breit kein Schnee in Sicht und der damalige Serfauser Bürgermeister, Erwin Tschiderer, fuhr mit schwerem Schuhwerk und Skiausrüstung einen halben Tag auf den Förderbändern herum. Da musste wohl der ein oder andere Fluggast schmunzeln.

In einem Frankfurter Café führten die Köpfe dann ein entscheidendes Gespräch. Herr Ing. Zacke, der die Exkursion ebenfalls begleitete, berichtete von den Erzählungen einer seiner Mitarbeiterinnen, die in Amerika auf Urlaub war. Jene Dame war begeistert von der geräuschlosen Luftkissenschwebebahn der Firma OTIS in New York. Zu jener Zeit gab es bereits zehn solcher Bahnen in Amerika. Die Herstellerfirma wollte in Österreich Fuß fassen und lud die inspirationssuchende Gruppe nach Amerika ein. Flug und Unterkunft wurden dabei von der Firma übernommen. Die neue Kundschaft in Österreich war sogleich überzeugt von dem neuartigen Transportmittel. Der spannende Besuch in Amerika sorgte dafür, dass die einstige „Hauptstraße“ bald einen neuen Namen erhalten sollte. Die Idee einer schwebendenden Bahn unter Tage war geboren.


Psssst...

"Man darf die Bahn nicht hören!", um dieser Forderung gerecht zu werden, fiel die Wahl zwischen einer klassischen Standseilbahn mit Körperschall und einer geräuschlosen Luftkissenbahn nicht schwer. Zudem waren die Kosten für beide Varianten identisch. Was für die Bevölkerung erfreulich war: die Kosten wurden zu 100% von der Gemeinde Serfaus übernommen.

Bei einer Infoveranstaltung wurde die Bevölkerung über das Bauvorhaben informiert. Von den 80 Anrainern waren lediglich vier anfänglich dagegen. Gegenvorschläge wie ein Tunnel vom Dorfeingang zur Seilbahn (ohne mögliche Zustiegsstellen im Dorf) waren nur schwer realisierbar.


737 Tage

Eine Boeing 737 wurde zwar nicht gebaut, aber was das Dorf Serfaus genau bereichern sollte, war nicht jedem einzelnen Bürger klar. Spannende, ungewisse Tage folgten auf den Baubeschluss. Genau genommen verstrichen 737 Tage zwischen Baubeschluss und erster Jungfernfahrt. Anfang Dezember 1983 kam es zum Beschluss des Gemeinderates, dass das „Verbindungssystem Serfaus“ – so lautete der Arbeitstitel – realisiert wird. Über 700 Tage mussten folgen, bis die Luftkissenbahn dann zum ersten Mal (nach zahlreichen Probefahrten) den öffentlichen Fahrbetrieb aufnahm. Somit konnten Gäste bereits während der Wintersaison 1985/86 die Zubringerbahn mit den zwei Wagons nutzen. Die feierliche Eröffnung fand anschließend einige Wochen später, am 26.01.1986, statt. Bemerkenswert: Die U-Bahn Serfaus ist bis heute die kleinste, höchstgelegene, auf Luftkissen schwebende, U-Bahn der WELT!


Ein Serfauser Bewohner erinnert sich, dass, bevor die Bagger und LKWs anrollten, die Fahrbahnmitte der „Hauptstraße“ ein gelber Strich zierte. Dieser markierte den Verlauf der Trasse. Für die Ausführung der Bauarbeiten wurde eine ARGE (Arbeitsgemeinschaft) gegründet. Zwei Arbeitstrupps waren beim Tunnel tätig und eine Partie bei den Stationen. An vier Stellen wurde die Straße knapp an den Hausfundamenten bis zu sechs Meter tief aufgerissen: Beim Hotel Alte Schmiede, dem Haus Silvretta sowie bei den Stationen Parkplatz und Seilbahn-Endstation. Ein Teil des Aushubmaterials diente zur Verbesserung der Skipisten und Langlaufloipen.

Der Aushub des U-Bahn-Tunnels erfolgte Anfang Juli 1984. Mit Baggern und Sprengmaterial ging es ans Werk. Felsiger, sumpfiger und moräniger Untergrund stellte die Arbeiter vor großen Herausforderungen. Vor Baubeginn wurden zwar stellenweise Testbohrungen durchgeführt, um den Untergrund zu untersuchen, der zeitliche und technische Aufwand wurde jedoch unterschätzt.

Gesprengt wurde, was das „Zeug“ hält bzw. was die Häuser hielten. Einige Häuser wurden auf sehr schlechtem Fundament erbaut. Das Hotel Alte Schmiede wurde beispielsweise seinerzeit ohne Fundament auf schlechtem Moränenuntergrund errichtet. Die Gegebenheiten forderten die Baupartien. Kritische Hänge mussten zusätzlich mit Spritzbeton abgesichert werden. Grundwasser bzw. Hangwasser wurde abgepumpt. Arbeiter berichteten von einer oftmals sehr „gatschigen“ (matschigen) Angelegenheit.

Ein Bericht von Alfred Tschuggmall spiegelt die Problematik der schlechten Häuserfundamente wider:
Während der Bauverhandlungen rief ihn Edmund Althaler vom Haus Germania aufgelöst an: „Mei Decke hat Risse!“. Sogleich erfolgte eine Begutachtung vor Ort. Edmund saß in der Stube und schnitt Speck auf. Ein Laib Brot lag auf dem Tisch. Sein Kopf gesenkt. Alfred empfahl ihm, im Raum nebenan zu „marenden“. Edmund daraufhin verärgert: „I iss mei Marend, wo i will!“ Bei einer Grabungstiefe von 5 bis 6 Metern waren Risse keine Seltenheit. Beim Haus Germania lag das Problem aber woanders begraben. Während dem Gespräch stellte sich heraus, dass Edmunds Haus ein Fundament von nur (!) einem Meter aufwies und er als „Betoneisen“ (zur Verfestigung des Betons) alte Heusensen verwendete. Bei diesem Detail musste Alfred schmunzeln: „Das war zwar kreativ, aber bestimmt nicht effektiv“. Daraufhin wurde das Haus zunächst gesichert. Bis zu 19 Meter lange Anker mussten in die Seitenwände der Baugrube unterhalb der fundamentschwachen Häuser gesetzt werden.


Deckel zu

Gebaut wurde im Frühjahr, Sommer und Herbst. Die Bauarbeiten im Sommer 1984 und 1985 bedeuteten schwere Jahre für den ohnehin einst sehr schwachen Sommertourismus. Als die Luftkissenbahn 1986 dann ihren ersten Sommerbetrieb aufnahm, sollten Jahre mit positiven Gästezahlen folgen. Und so war es glücklicherweise auch.

Zu Beginn der Wintersaison wurden die Baugruben wieder verschlossen. Im Frühjahr erblickten die Gruben dann wieder Sonnenlicht. Im ersten Jahr wurden 1.000 Meter geschafft. Ein Zeitzeuge berichtete ebenfalls davon, dass sie erleichtert waren, dass die Baustopps immer eingehalten wurden. Während den Wintermonaten konnte die heutige Dorfbahnstraße uneingeschränkt begangen bzw. befahren werden. Der Skibus nahm wie gewohnt seine Fahrt auf.


Stolze Arbeiterschaft

Ein ehemaliger Tunnelarbeiter erinnert sich an den U-Bahn-Bau als wäre es gestern gewesen: „Für die Tunnelerrichtung arbeiteten wir mit einem Schalwagen. Dieser hatte eine Länge von 15 m. Der Beton wurde dabei mithilfe von Betonpumpen in die Schalung eingegossen. Anschließend senkten wir den Schalwagen ab, sodass die Schalungen dann mit einem Bagger herausgezogen werden konnte.“ Zudem teilte er mir stolz mit, dass sie jeden Tag eine gewisse Meteranzahl schaffen mussten und dieses Ziel auch immer erreichten.
Was ich bei den Gesprächen mit den damaligen Arbeitern heraus hörte, war stets Stolz – Stolz, Teil eines derartig großen Projektes gewesen zu sein. Es war schon etwas Besonderes, an diesem Mammutprojekt innmitten der Alpen mitzuwirken. Vergleichbare Projekte gab es zu jener Zeit nicht.


Aufgepasst!

Das heitere Lesevergnügen geht in Kürze weiter. Ein so großes Bauprojekt hätte den Rahmen dieses Blogartikels sprichwörtlich „gesprengt“. Aus eins mach zwei. In einigen Tagen bringt euch hoffentlich mein zweiter Blogteil zum U-Bahn-Bau ebenfalls zum Schmunzeln. Eure Andrea.


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