Vegetarischer Haubenkoch Paul Ivic People of SFL Blog Serfaus-Fiss-Ladis in Tirol | © Ingo Pertramer
Blogautorin Andrea Serfaus-Fiss-Ladis | © christianwaldegger.com
Andrea

People of SFL: Sternekoch Paul Ivic

07.06.2022 · People of SFL, Genuss, Ganzjährig
Als erster Koch Österreichs schaffte es der Serfauser, mit bedingungslos vegetarischer Küche einen Michelin-Stern zu ergattern. Paul Ivic hat seinen Platz im „(Gemüse)Garten Eden“ gefunden. Richtig gelesen! Er weiß nämlich die Qualität und Kraft der paradiesischen Produkte von Mutter Natur zu schätzen. Im Interview verrät er unter anderem, wie ihn seine Heimat Serfaus-Fiss-Ladis prägte und wer die beste Speckknödelsuppe auftischt. Vegetarier ist er nämlich keiner.

Lesezeit: 6 Minuten

100% frisch

Paul Ivic liebt die HERAUSFORDERUNG und setzt dabei bedingungslos auf Qualität – und zwar auf die Qualität aus dem bunten GEMÜSEGARTEN. Dabei ist der vegetarische Spitzenkoch selbst gar kein Vegetarier. Eine ausgewogene Ernährung sollte für ihn zu 80% pflanzlich und 20% tierisch sein. Was seine Philosophie aber auf den Punkt bringt, egal ob Veganer, Vegetarier oder „Allesesser“: Unser Essen sollte zu 100% FRISCH gekocht sein. Und für diese Einstellung brennt er und ist mit seinen Restaurants in Wien, München, Zürs und Zadar zurecht im OLYMP der vegetarischen Küche gelandet.

Im Garten Eden

Um in den Genuss von seinem „Garten Eden“ zu gelangen, musst du nicht an der HIMMELSPFORTE klopfen. Es reicht ein Besuch in seinem vegetarischen Spitzenlokal TIAN in Wien. Seit 2011 setzt der 43-Jährige dort neue Maßstäbe in der VEGGIE-KÜCHE und wurde 2014 für seinen Einsatz und seine Philosophie mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Weitere Restaurants folgten in der TIAN-Gruppe: das TIAN RESTAURANT in München und das TIAN BISTRO am Spittelberg. Auch in Zürs am Arlberg und Zadar in Kroatien hat er  mittlerweile seinen Platz gefunden. Ob noch weitere Standorte folgen?

Bei der Wiener Adresse muss ich schmunzeln. Bin ich doch IM HIMMEL? Das Restaurant befindet sich nämlich an der HIMMELPFORTGASSE 23. Da passt das CHINESISCHE WORT tiān (天) für Himmel als Restaurantnamen ja wie der Deckel auf den Kochtopf. Genial, wie ich finde.

Starkes Team

Zudem fällt mir der Bezug zu seiner Tiroler Heimat auf. „Tian“ heißt im TIROLER DIALEKT ja auch so viel wie: tun, anpacken. Für seinen Traum packen Paul und sein Team ordentlich an. Da besteht kein Zweifel. „Große Dinge schafft man nur im Team, eine One-Man-Show geht nicht. Wie beim MANNSCHAFTSSPORT: Ein guter Spieler alleine kann nichts bewirken“, verrät der erfolgreiche und dennoch äußerst bodenständige Starkoch aus Serfaus.

Koch vs. Arzt

Es wird gemunkelt, Paul könne locker als ERNÄHRUNGSBERATER oder ARZT durchgehen. „Sein Wissen über Ernährung ist äußerst beeindruckend“, so Philipp Kaschutnig, der ihn als Wegbegleiter und starken POL in der Haute Cuisine bezeichnet. Sieht das Paul genauso?

„So weit würde ich nun nicht gehen, aber ich verstehe mein Handwerk. Die Materie ist irrsinnig spannend. Das Wort ‚Gastronomie‘ stammt aus dem ALTGRIECHISCHEN und bedeutet 'Wissen über den Darm und Magen'. Als Gastronom muss ich also wissen, was dem Körper guttut. HIPPOKRATES war bereits der Auffassung: Deine Nahrung soll deine Medizin sein und deine Medizin deine Nahrung. Als Koch habe ich somit die VERPFLICHTUNG zu wissen, welche Wirkung bestimmte Lebensmittel haben. Der biochemische Vorgang ist äußerst wichtig. Genau das macht unseren Beruf so spannend!", sagt Paul. Eine Regel gilt dabei immer: Vermeidung von INDUSTRIELL gefertigten Lebensmitteln und ‚vergifteten Lebensmitteln‘, also ohne Einsatz von Antibiotika, Hormonen, Pestiziden und Herbiziden. 

„Die Qualität eines Produktes fängt mit der Gesundheit des Bodens und Tieres an. Daher muss ich auch über ein gewisses Wissen verfügen. AUSGELERNT habe ich aber nie“, erzählt der bodenständige Koch, der klare Prinzipien lebt.

Sein Wissen über Gesundheit und Ernährung zeigt sich schon beim FRÜHSTÜCK. „Sonntags, wenn ich etwas mehr Zeit habe, frühstücke ich ganz gerne eine warme Gemüsesuppe. Nach der TRADITIONELL CHINESISCHEN MEDIZIN (TCM) werden die Organe durch ein warmes Frühstück gestärkt. So wird der Körper mit genügend Energie versorgt“, so Paul.


Es lebe das Leben

Große Worte, großer Geschmack. Der Spruch „Es lebe das Leben“ springt mir sofort ins Auge. Er findet sich in seinem Restaurant auf Kochschürzen und Speisekarten wieder. Was steckt dahinter? „Wir FEIERN diesen Spruch, da wir mit lebendigen Produkten arbeiten. Alles ist ein lebendiger Prozess. Es muss einfach menscheln. Unsere Hauptzutaten kommen aus dem Boden. Dieser muss lebendig sein, also VOLLER NÄHRSTOFFE. Spritzmittel vernichten jeden guten Boden. Diese brauchen wir nicht. Von diesem Leitsatz gibt es auch Abwandlungen: ‚Es lebe der MUT‘ oder ‚Es lebe das WAGNIS‘. Besonders unsere männlichen Gäste sind oftmals skeptisch, da es bei uns kein Fleisch gibt. Dieser Spruch sollte alles ein wenig aufbrechen. Er ist eine Metapher für mich“, erklärt der Serfauser mit kroatischen Wurzeln.

Der Geschmack der Kindheit

Wenn Paul seine Eltern in Serfaus besucht, lässt er sich gerne bekochen. Aber was löst in ihm kulinarisches Heimweh aus? „Mittlerweile kocht mein Papa auch ganz gut. Seine SPECKKNÖDELSUPPE ist sensationell. Der Geschmack der Kindheit in Serfaus hat mich geprägt, besonders die ‚Blaschen‘ (Erbsen) vom ACKER meiner Großmutter. Nach diesem intensiven Geschmack suche ich in meiner Küche. Meine Herkunft, die Landschaft und die Natur in Serfaus haben meine Arbeit sehr geprägt. Dazu gehört beispielsweise der Geschmack von frisch aus der Erde gerissenen KAROTTEN. Früher habe ich auch immer das Grün der Karotten probiert. Viele wissen auch gar nicht, dass beispielsweise Kohlrabiblätter wesentlich GESÜNDER sind als der Kohlrabi selbst. Man kann fast alles essen. Den Menschen fehlt nur das notwendige Wissen“, so der Zero-Waste-Koch, für den Geschmack sein stärkster Verbündeter ist.

Rückblickend prägte ihn sowohl die österreichische als auch die kroatische Küche. In Österreich beeinflusste ihn schon immer die QUALITÄT DER PRODUKTE, in Kroatien die starke FAMILIENGEMEINSCHAFT. „In Kroatien sitzt man gern mit der ganzen Familie an einem großen Tisch, isst, diskutiert, streitet und lacht. Da passt das Credo meiner Restaurants ‚Es lebe das Leben‘ ganz gut dazu“, erzählt Paul.

Zero-Waste-Küche

Paul ist ein Verfechter der Zero-Waste-Küche. Von der WURZEL bis zum BLATT wird in seinen Restaurants alles verwendet. Die DEMUT und DANKBARKEIT von Lebensmittel habe er von seinen Eltern gelernt. „Früher mussten die Menschen alles verwerten, sie hatten keine Wahl. Der VERZICHT war täglich präsent. Dieses Gedankengut beeinflusst mich heute in meiner Arbeit sehr. Durch meinen Einsatz möchte ich den Leuten Dankbarkeit zeigen, die mir in Serfaus eine so SCHÖNE KINDHEIT ohne Sorgen beschert haben. Ich bin unbeschwert in Tirol aufgewachsen. Wie auf einem riesigen Abenteuerspielplatz. Meine Kollegen ziehen mich beim Besuch oft auf, da ich gerne FOTOS mache. Dinge schätzt man wohl erst mit etwas Abstand“, gesteht sich der Wahlwiener ein.

„Heute sind wir PRIVILEGIERT, müssen auf nichts verzichten. Wir dürfen entscheiden, auf was wir verzichten wollen – ich verzichte auf das SCHLECHTE.“ Paul würde nie die Qualität dem Preis opfern. Er kauft lieber teuer ein und befähigt seine Mitarbeiter, alles zu verbrauchen. Jeder Gastronom kann laut ihm einen Beitrag leisten.

„Wenn du als Ziel hast, alles zu verwerten, entdeckst du so viel Neues. Das ist sehr zeitintensiv und HERAUSFORDERND. Aber mal ehrlich: Wer würde von uns einfach 5 € in den Müll werfen? Keiner, oder?“, sieht mich Paul fragend an.


Auf dem richtigen Weg

Unser KONSUMVERHALTEN hat einen sehr starken Einfluss auf unsere Ökonomie, Ökologie, auf unser Sozialverhalten und unsere Gesundheit. Essen ist für Paul nicht nur Nahrungsaufnahme, sondern bedeutet, VERANTWORTUNG für die Ressourcen auf der Welt zu übernehmen. Er ist der Meinung, dass Hoteliers und Gastronomen in der Region Serfaus-Fiss-Ladis große Möglichkeiten haben, EINFLUSS darauf zu nehmen.

„Die Region ist dadurch reich geworden, dass sie eine WUNDERBARE NATUR vor der Haustür hat. Entsprechend wertschätzend sollten alle auch mit ihr umgehen. Auf 2.000 m brauche ich nichts Exotisches, sondern ich möchte HANDGEMACHTE KÜCHE genießen: Kaspressknödel, Gulaschsuppe oder eine Bergforelle. Der Geschmack und die Qualität ist einfach sensationell. In Kroatien habe ich noch nie erlebt, dass jemand auf die Idee gekommen wäre, eine FORELLE aufzutischen. Man soll das schätzen und verkochen, was die Region hergibt.

Das muss allerdings nicht heißen, dass alles 100% regional sein muss, sondern man sollte sich in der Region und der Umgebung umschauen. Serfaus-Fiss-Ladis macht bereits einiges richtig und ist auf einem guten Weg. Man sollte immer MIT DER NATUR arbeiten. Wir können nicht alle Selbstversorger sein, man muss schon die ganze Welt einladen. Man sollte aber immer versuchen, die ganze Umgebung zu stärken“, sagt Paul.


visionär

Wie wahr. Denn nur, wenn eine Region in der Gegenwart stark ist, dann ist sie es auch in Zukunft. Serfaus-Fiss-Ladis hat in der Vergangenheit schon einiges VISIONÄRES geleistet und viel Mut bewiesen. „Vom U-Bahn-Bau bis hin zur Familienausrichtung durch Franz Tschiderer, Rudolf Hammerle & Co. Da gibt es einige nennenswerte Personen. Die Zeit ist immer reif für NEUE VISIONEN“, lächelt Paul, der sein Kochhandwerk in seinem Heimatdorf erlernt hat.

Restlos glücklich

Er weiß zudem die Kraft einer alten Fisser Gerstensorte zu schätzen und verwendet sie in seinen Kreationen. „Die Geschichte dahinter ist sehr interessant. Die Gerste hat CHARAKTER und so was braucht man in der Küche. Zudem hat sie für mich einen hohen emotionalen STELLENWERT“, sagt Paul. „In meinem Buch ‚Restlos Glücklich‘ gibt es sogar ein Rezept. Gerne teile ich es mit dir.“

 Hier geht’s zum Rezept "GERSTENCREME MIT STEINPILZEN".

Guter Rat

Abschließend richtet sich Paul noch an die JUNGEN Gastronomen und gibt ihnen Folgendes auf den Weg: „Bleib immer NEUGIERIG. Sei dir immer bewusst, dass es jemand gibt, der besser ist als du. Aber das ist ja das Schöne daran. Als Koch brauchst du AUSDAUER. Wenn du also etwa auf den Hexenkopf in Serfaus steigst, brauchst du auch Kondition. Du darfst nicht zu schnell aufgeben und musst hart TRAINIEREN, um deine Kenntnisse stetig zu verbessern. Das Gefühl, wenn du am Gipfel stehst und die Aussicht genießt, ist einzigartig. Ich erinnere mich: Das Würstchen auf der Hexenseehütte war das Beste überhaupt. Anstrengung kann etwas Positives sein. Du brauchst Ausdauer und Kondition und das muss man sich erarbeiten. Je mehr du unterwegs bist, desto bessere ORTSKENNTNISSE erlangst du“, sagt Paul Ivic.

An ZIELSTREBIGKEIT hat es ihm nie gemangelt. „Vielleicht hätte ich öfter mal eine Pause einlegen sollen“, lächelt er. Seine Beharrlichkeit hat sich aber ausgezahlt.

Die TIAN-Restaurants

Hast du auch schon Gusto bekommen? Hier findest du alle TIAN-Restaurants auf einen Blick.

Übrigens: Kennst du eigentlich schon den jungen Haubenkoch Patrick Landerer aus Ladis? Auch ihm haben wir seine Geschichte entlockt. An Zielstrebigkeit und klaren Prinzipien mangelt es auch ihm nicht.


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